Mein Kollege ist  ein schrecklicher Mensch.

Ich habe vor zwei Jahren in diesem Unternehmen begonnen. Ich hatte ziemlich große Hoffnung auf einen Karrieresprung. Heute funktioniert ja viel über die Bewerbungsplattformen wie LinkedIn oder indeed oder Jobcare oder andere. Und so war es auch bei mir. Irgendwann wurde ich mal von einem Jobhunter angeschrieben, und es kam dann wie es kommen musste. Der neue Job klang toll und nach einer einmaligen Chance. Jetzt sitze ich hier, um eine Erfahrung reicher.

Den Firmenwagen und das Handy habe ich von meinem Vorgänger übernommen, ”damit Kontinuität gewahrt bleibt” wie man mir damals erklärte. Gleich am zweiten Tag riefen mich eine ’Susy’ und danach noch eine ’Sharon‘ an. Es kostete mich viel Mühe ihnen zu erklären, dass das nicht mehr André's Handy wäre. Mein Kollege erklärte mir, dass mein Vorgänger ein ziemlicher Draufgänger gewesen sei. Wirklich geglaubt habe ich es erst, als Claire mich mit ungläubigen Augen anstarrte, als beim Umklappen der Rücksitze des Wagens ein ziemlich gewagter Bikini zum Vorschein kam. Es als Geschenk für sie zu deklarieren, dafür war es da zu spät. Gott sei Dank war nichts Kompromittierendes mehr im Handschuhfach.

Als ich meinem Kollegen davon erzählte, wollte dieser den Bikini zurück. Er sagte, er sei mit André befreundet und würde ihn ihm geben. Bekam er aber nicht. Es war einfach nicht seine Farbe. Er selbst gibt mir nichtmal seinen Locher. Kann man sich das vorstellen?! Und er hat sich penibel breit gemacht in den 15 Jahren, die er hier schon arbeitet. Sein Pflanze auf dem Fensterbrett nennt er Eurora, „nach seiner ersten Frau“ wie er sagt. Ich würde auch sagen, dass das seine letzte war, so wie er drauf ist. Eurora darf keinen Millimeter verschoben werden, „wegen des Lichteinfalls“ sagt er. Auch Bill aus der Buchhaltung kann ihn nicht leiden. Letztens kam er in unser Büro mit den Worten „Eurora, spring!“ -Ich hatte den Eindruck, ihre Blätter hätten sich leicht bewegt.

Mit Janice und Irene verstehe ich mich gut. Irene bringt mir morgens oft Kaffee aus dem Coffeeshop mit. Ich habe ihr schon angeboten, ihr den Kaffee wenigstens zu bezahlen. Will sie aber nicht. Ich habe sie dann eines Morgens zum Kaffee eingeladen, just der Morgen, als meine Frau mir meinen vergessenen Laptop im Büro vorbeibrachte. Natürlich hat mein Kollege ihr sofort erzählt, dass Irene und ich einen Morgenkaffee trinken sind. Danke dafür, Timothy! Ach ja, Timothy ist sein Name. Nicht Tim! - Man bekommt Ärger, wenn man seinen Namen abkürzt. Fast soviel, wie wenn man ohne Bescheid zu sagen mit Irene einen Kaffee trinken geht, sagt meine Frau.

Aber ich habe wohl zur falschen Zeit gewechselt. Der Markt ist derzeit im Abschwung. Ich schreibe immer noch bessere Zahlen als Timothy, aber dennoch sind sie weit entfernt von den Werten, die ich für meinen Bonus benötigen würde. Claire meint, wenn ich direkt um 9 Uhr zu arbeiten anfangen würde, statt erst eine Kaffee-halbe-Stunde später, dann würde ich das vielleicht auch eher erreichen: „Der frühe Vogel fängt den Wurm!“ meint sie. Aber tatsächlich ist das alles nicht, was ich mir erhofft habe.

Immerhin bemüht sich das Unternehmen ein gutes Betriebsklima herzustellen. Jedes Jahr gibt es ein großes Grillfest, wozu Mitarbeiter und deren Familien eingeladen sind. Auf diesem Grillfast habe ich auch schließlich André kennengelernt. Timothy hatte es geschafft ihn auf die Party zu schmuggeln. Und ich muss sagen, die junge Frau an seiner Seite war auch wirklich eine aparte Erscheinung. André hatte definitiv einen guten Geschmack was Frauen anbetrifft. Sie hatte etwas fröhlich offenes an sich, was meine Frau in den völlig falschen Hals bekam, als die junge Frau ihre Arme um meinen Hals legte und halblaut in mein Ohr flüsterte „Du hast noch meinen Bikini.“

Das war der Moment, wo Eurora letztendlich gesprungen ist. Keiner weiß warum. Timothy beschuldigt Bill, Bill beschuldigt den Wind und das offene Fenster, meine Frau beschuldigt mich und ich hasse den Jobhunter für das, was er mir angetan hat.