Gedanken eines Verkäufers

Ja, ich bin ein Verkäufer, eigentlich schon mein ganzes Berufsleben lang. Ob ich das gewollt habe? - Keine Ahnung. Ist halt so gekommen. Aber ich mag es unterwegs zu sein. Ich meine, es gibt ja viele Arten von Verkäufern. Ich möchte nicht gerne im Geschäft sitzen und dort tagein tagaus die Leute beraten und ihnen etwas verkaufen. Das wäre nichts für mich. Aber unterwegs zu sein, mal hier mal da, und Orte und Unternehmen kennenlernen, das finde ich spannend.

Meine Frau sagt immer, wenn sie gewusst hätte, wie das Leben mit einem Verkäufer ist, hätte sie entweder gar nicht geheiratet oder zwei. Zeitmäßig hätte Sie locker Zeit für zwei, wenn deren Reisepläne einigermaßen abgestimmt wären, aber wäschemäßig hätte sie dann vier Männer.

Und ein bisschen hat sie recht. Wenn ich auf Reisen bin, kann ich nicht immer meine Wäsche waschen lassen. Dann kaufe ich halt neue. Am Ende komme ich dann mit mehr Wäsche nach Hause als ich mitgenommen habe. Sie sagt, sie hat nichts dagegen die Berge an Wäsche zu waschen, aber wenn da jemals mal Frauenunterwäsche mit dabei ist, lässt sie sich scheiden.

Für mich sind Geschäftsreisen immer noch ein Abenteuer, auch wenn heutzutage mit den Kredikarten, großen Hotelketten und Mietwagenuntenehmen, viel von der Exotik der Reisen genommen wurde. Ich erinnere mich noch an die Anfangszeiten, als man von Kleve nach Paris über drei Staatsgrenzen fahren musste, drei Währungen in der Tasche haben musste und wenigstens ein paar Brocken Französisch können musste. Heute ist das alles kein Problem mehr. Man kann mit einer Tankfüllung durchfahren ohne anzuhalten. Es fühlt sich nicht mehr so weit an wie früher.

Wenn man denn überhaupt noch fährt. Heutzutage fliegt man viel mehr. Der Flug und ein Mietwagen vor Ort kosten meistens viel weniger als das Benzin für die gleiche Strecke. Früher bin ich zum Beispiel sehr oft nach Norditalien gefahren. Ich habe viele Kunden da. Oftmals bin ich dann durch den Sankt Gotthard Tunnel gefahren. Zuweilen war der aber auch geschlossen, und man musste dann über den Pass fahren.

Ich habe da alles erlebt, von überhitzem Motor beim Hinauffahren und heißgelaufenen Bremsen beim Herunterfahren, bis hin zu Schneegestöber, Übelkeit wegen der vielen Serpentinen und totaler Müdigkeit bei einer Fahrt im Dunkeln mit dichtem Nebel. Ein Wahnsinn, was man manchmal auf sich genommen hat. Damals lohnte die Fahrt nur, wenn man das als 2-Wochen-Tour plante, mit zwei bis drei Kunden pro Tag. Heute fliegt man für 50 Euro nach Pisa, nimmt einen Leihwagen, besucht die Kunden in der Gegend und fliegt am Abend wieder zutück.

Ich habe heute noch in meiner Schublade mehr als 20 Umschläge, in die ich die fremde Währung tue wenn ich zurückkomme. Ich schreibe dann das Land auf den Umschlag. Hin- und Zurückwechseln kostet zu viele Gebühren, und Münzen nimmt man hier ja gar nicht an. Zur Geburt unserer Tochter hatten wir noch nicht so viel Geld, und ich wollte meiner Frau etwas Besonderes schenken. Und damit sie das nicht auf dem Konto sieht, habe ich damals meine ganzen Umschläge geplündert und ihr für fast 2,000 D-Mark einen Ring gekauft.

Und natürlich hat man viel Abenteuerliches erlebt. In Kenia haben sie oft die Flüge überbucht, und sie haben einfach die Passagiere wettrennen lassen zum Flugzeug. Wenn das Flugzeug voll war, mussten die restlichen zurückbleiben. Seitdem bin ich nie mehr mit Koffer nach Afrika gereist, lieber mit Tasche. In Russland musste ich in einem Regionalflug mal stehen. Die hatten sogar Haltegriffe im Flugzeug, wie im Bus. Ich habe eine Notlandung erlebt, bin zwei Tage vor dem Unfall der ”Herald of Free Enterprise” über den Ärmelkanal gefahren und 14 Tage vor der Invasion in Kuwait gewesen.

Wir wurden beschossen, einmal ausgeraubt, verhaftet und sonst noch alles Mögliche ist passiert. Verkäufer sein heißt für mich immer noch Abenteuer erleben zu können ohne eine Superkraft haben zu müssen. Dennoch freue ich mich dann immer, wieder nach Hause zurückkommen zu können. Ich vergesse bis heute nie, meiner Frau und meinen Kindern ein paar Geschenke mitzubringen. Das ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen außerhalb der Arbeit, wenn ich unterwegs bin.

Ich weiß noch gar nicht, wie das dann sein wird, wenn ich mal in Rente gehe. Meine Frau sagt, wenn die Kinder aus dem Haus sind und wir in Rente sind, dann will sie reisen. Wir sind nun schon seit über 20 Jahren zusammen, und trotzdem leben wir ein ziemlich getrenntes Leben, denke ich manchmal. Vielleicht werde ich ja mal genug vom Reisen haben, just in dem Moment wo meine Frau ihre Lust am Reisen entdeckt. Hoffentlich kommt es nicht so weit, dass ich dann ihre mitgebrachte Wäsche waschen muss. Aber wenn da gebrauchte Herrenunterwäsche dabei ist lasse ich mich scheiden!