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Eine Neue Version von: Der Fischer und seine Frau

Jeder kennt wohl das Märchen von dem Fischer und seiner Frau, die Ihren Mann dazu bringt, von einem offensichtlich mit übernatürlichen Kräften ausgestatteten Fisch immer größere Dinge zu verlangen. Es ist eine Fabel über Habgier. In einer Schule in Dänemark schrieb ein Schüler folgende Abwandlung des Märchens:

Nachdem ein Sturm auf der Nordsee die Einwohner von Nymindegab vier Tage lang in ihre Häuser gefangen gehalten hatte, genoss es Finn endlich wieder nach draußen gehen zu können. Er und seine Freundin Elva hatten gleich die Gelegenheit ergriffen, einen Spaziergang am Strand zu machen. Es war noch recht windig und kalt, und sie gingen untergehakt über den Strand, der voll mit Strandgut war, den der Sturm an Land gefegt hatte. Elva war Finn's Klassenkameradin und seine erste große Liebe. Er mochte ihr wallendes blondes Haar mit den großen Locken, ihre strahlend blauen Augen, ihr süßes Gesicht mit der süßesten Nase der Welt, er mochte wie sie roch, ihre Stimme wenn sie etwas erzählte … kurz, er mochte alles an ihr!

Sie stapften durch den noch feuchten Sand und den angeschwemmten Tang, und Finn hörte Elva zu, als sie von der bevorstehenden Klassenabschlussreise sprach, die sie nach London führen sollte. Wenn man in Nymindegab wohnt, dann ist London die große Welt. Und Elva freute sich königlich darauf. Es war inmitten Elva's Ausführungen, dass Finn etwas leicht schimmerndes in einem Tanghaufen neben ihm sah.

Dieser Tanghaufen war halb im Wasser und halb and Land. Und er schien sich ab und an zu bewegen. Zuerst gingen sie daran vorbei während Elva nur vor sich herschaute und ihren Gedanken freien Lauf ließ, aber Finn ließ das Bild keine Ruhe, deswegen stoppte er schließlich und lief zurück. Er stocherte mit seiner Schuhspitze im Tang herum und zum Vorschein kam ein kleiner, Handteller großer Fisch, mit blasser Haut und blassblauen Augen. Ab und an zuckte die eine oder andere Flosse noch, aber trozdem sah das Ganze irgendwie ungewöhnlich aus.

Finn starrte auf den Fisch herab. Elva hatte ihn mittlerweile wieder eingeholt und schaute ebenfalls von oben auf den Fisch. „Glaubst Du der lebt noch?“ fragte sie ihn. - „Weiß nicht.“ Finn versuchte den Fisch mit dem Fuß leicht anzustubsen. Wenn der noch leben würde, was sollte man dann wohl machen? Ihn zurück ins Meer werfen? Tat man ihm noch einen Gefallen damit? - Erlösen? - Wie? Er mochte keine Lebewesen töten, aber wenn der Fisch doch leidete … Er hoffte, der Fisch sei tot, und lediglich die Wellen und der Wind würden es erscheinen lassen, als ob er noch seine Flossen bewegen würde.

„Der sieht komisch aus, Finn!“ riss ihn Elva aus seinen Gedanken. „Schau mal da unten am Bauch! Der ist gar nicht echt, oder? Das ist ein Spielzeugfisch. Oder?“ - Finn hockte sich nun hin, um den Fisch besser betrachten zu können. Und tatsächlich! Im unteren Bereich des Fisches sah etwas wie eine Abdeckklappe aus, so wie man es von Anschlüssen von digitalen Geräten manchmal kennt. Finn überwandt sich schließlich und berührte den Fisch mit einem Finger, und es deuchte ihm mehr und mehr, dass der Fisch kein echter Fisch war. Seine Haut fühlte sich eher wie weiches Latex an. Finn drehte den Fisch mit einem Stock leicht auf den Rücken und betrachtete die Klappe.

Ja, das war eindeutig eine Abdeckung. Also ließ er jede Vorsicht fahren und nahm den Fisch mit seinen Händen auf. Wenn das ein Spielzeug war, dann definitiv ein ziemlich cooles! - Er befreite es von Sand und Tang, wickelte es in seinen Schal und nahm es mit. Auf dem Weg unterhielten sie sich beide noch darüber, was es für wahnsinnig weit entwickelte Spielsachen heutzutage gibt, und Finn versprach Elva ihr später zu sagen, ob er etwas über den Fisch herausfinden konnte und ob er eventuell noch funktionierte. Beide waren der Meinung, dass die Klappe wahrscheinlich eine Ladebuchse abdeckte und der „Fisch“ lediglich leer gefahren war.

Finn hörte Elva zwar noch zu, aber seine Gedanken kreisten nur noch um den seltsamen Fisch. Zuhause angekommen verschwand er direkt in seinem Zimmer und machte sich daran, den Fisch erst vorsichtig aber gründlich zu reinigen, ehe er sich zum ersten mal traute, die Abdeckung zu öffnen.

Es war tatsächlich, wie sie gedacht hatten, eine Abdeckung, die allerdings einen ziemlich banalen micro USB Anschluss verbarg, wenn auch der Anschluss insofern eigenwillig war, als dass er in der Körperfarbe des Fisches gehalten und ziemlich flexibel war, was es Finn schwer machte, einen micro USB Stecker dort einzuführen, den er normalerweise für sein Mobiltelefon benutzte. Das andere Ende steckte er in seinen PC. Es erschien ein Fisch-Icon auf seinem Schreibtisch, und Finn began leicht aufgeregt zu werden. Mit pochendem Herzen klickte er auf das Icon.

Sofort öffnete sich ein großes Bild mit einem geöffneten Haimaul, und ein Schrift schien aus dem Inneren des Hais auf den Monitor zu fliegen „Du hast mich!“. Nach fünf Sekunden erlosch das Bild und ein Text war zu lesen. „Herzlichen Glückwunsch! - Du hast $5,000.- gewonnen! - Dieser Fisch ist ein Studienprojekt der Universität Boston. Er wurde am 12. Juni 2021 in Rockport Massachusetts zu Wasser gelassen und hat es offensichtlich bis zu Dir geschafft. Lass es uns bitte wissen wo das ist. Du erhälst als Finderprämie die besagten $5,000.- UND, solltest du in deinem Land eine Universitättzulassung haben, ein Stipendium an der Universität Boston. - Rufe diese Telefonnummer an, um alles Weitere mit uns zu besprechen.“ Dann folgte eine amerikanische Telefonnummer, die ellenlang erschien.

Finn war wie erschlagen und zugleich total euphorisch. Diese Neuigkeiten musste er Elva mitteilen! Er schnappte sich sein Handy, aber in dem Moment wo er Elva's Stimme am anderen Ende hörte, änderte er seinen Plan. Er wollte es ihr Angesicht zu Angesicht sagen, deswegen sagte er nur „Ich komme gleich rüber. Ich habe wahnsinnige Neuigkeiten für Dich!“ Er wartete gar nicht mehr ihre Antwort ab, sondern legte gleich auf. Die Jacke vom Stuhl ziehen und durch die Tür stürmen war eins. Keine 10 Minuten später saß er auf Elva's Schlafcouch. Niemand wohnt weit weg in Nymindegab. Elva's Mund stand leicht offen während sie ihm fast ungläubig zuhörte. 5,000 Dollar und ein Stipendium in den USA.

Das war fast zu schön um wahr zu sein. Aber es befiel sie auch ein kleines bisschen Neid. Schließlich hatten sie den Fisch ja irgendwie zusammen gefunden. Und wer weiß, vielleicht hätte er ihn ja gar nicht aufgehoben, hätte sie nicht die Klappe gefunden. Und so kam es, dass es mehr und mehr in ihr reifte, dass ihr eigentlich auch ein kleiner Anteil gebührte. Also erwähnte sie leicht spielerisch „und was bekomme ich als meinen Anteil?“ - Finn wusste erst nicht recht was er sagen sollte, aber dann ließ er sich dazu hinreißen, ihr die Häfte der 5.000 Dollar zuzuprechen, und Elva begann im Kopf schon damit, diese 2.500 Dollar auszugeben.

„Wann wirst du dort anrufen?“ fragte Elva Finn. „Ich weiß nicht … vielleicht morgen Nachmittag. Die sind ja ein paar Stunden zurück.“ Beide blieben den ganzen restlichen Tag sehr aufgekratzt, und ihren Köpfen gingen allerlei Szenarien durch.

Finn schlief in dieser Nacht unruhig. Die Ereignisse des Tages formten seine bizarren Träume. Auch in der Schule konnte er sich kaum konzentrieren. Seine Gedanken kreisten bereits um das Telefonat. Elva und er verabredeten, dass er sie gleich anrufen würde, wenn er das Gespräch geführt hatte. Dann aber entschied sich Finn doch noch um. Anstatt anzurufen, lief er zu Elva, damit sie bei dem Telefonat direkt dabei sein konnte. Und so kam der Moment, wo er neben ihr auf der Schlafcouch saß und mit zittrigen Fingern die Nummer wählte. Es klingelte ein paar mal, ehe sich eine freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung meldete.

Finn nannte seinen Namen und sagte, dass er die Person sei, die den Fisch gefunden habe. Sein Gesprächspartner war überwältigt! Mit großer Freude erzählte die Person, dass man im Forschungszentrum mit großer Vorfreude auf diesen Moment gewartet habe, und dass das ein wichtiges Projekt sei und sehr teuer! Weswegen es so schön sei, dass „Nansen“ - so hatte man den Fisch genannt, nach dem Forscher Fridtjof Nansen – wiedergefunden wurde. Man hatte nicht viel Hoffnung gehabt, dass das passieren würde.

Man hatte eigentlich gedacht, dass man, wenn irgendwann das Signal verloren ginge, man nichts mehr von Nansen würde sehen oder hören, obwohl gerade dann die Aufzeichnungen, die Nansen dann noch machen würde, wichtige Forschungsergebnisse bringen würden. Das war auch der Grund, warum man eine Belohnung ausgelobt hatte. Und nun war Nansen zurück! Die Person war offensichtlich völlig außer sich vor Freude.

„Sag ihr, du hättest den Fisch aber mit einer anderen Person zusammen gefunden!“ raunte ihm Elva zu. „Sag ihr, du musst das Preisgeld teilen!“. - Und genau das tat Finn schließlich. Er erwähnte, dass er den Fisch nicht alleine gefunden habe, und dass er deswegen das Preisgeld teilen müsse. Die Stimme am anderen Ende der Leitung stockte ein Moment. Dann sagte Sie „Moment …“ und es dauerte ca. eine halbe Minute, bis sie weder zurück war. „Wissen Sie was, Finn? - Ich habe noch einmal mit unserem Projektleiter gesprochen. Wir geben Ihnen die 2.500 Dollar, die sie abgeben müssen noch obendrauf!“ - Finn's Herz hüpfte, als er das hörte! „Danke … danke ...“ stammelte er, und man konnte seine Dankbarkeit förmlich spüren. Er freute sich auch für Elva. Natürlich würden sie hälftig teilen!

Finn und die Stimme verabredeten ein weiteres Telefonat in den nächsten Tagen, um die weiteren Schritte auch hinsichtlich der Rückführung des Fisches zu klären. Als Finn das Gespräch beendete war er sichtlich stolz, aber Elva schaute ein wenig nachdenklich drein. „Was ist los?“ fragte er sie, „Freust du dich nicht?“ - Elva biss sich auf die Lippe. ”Wenn du das Stipendium annimmst, dann werden wir uns nicht mehr wiedersehen.“ sagte sie mit trauriger Stimme. ”Ach wer weiß!“ versuchte er sie zu beschwichtigen. ”Wer weiß ob das alles überhaupt klappt. Wir haben ja noch nichtmal unsere Schule fertig.“

In den nächsten Tagen ware Elva ein bisschen ruhiger als sonst, und Finn war in Gedanken oft beim nächsten Telefonat. Das erreichte ihn gerade als er mit Elva auf dem Heimweg vom Sportunterricht war. Die Stimme meldete sich wieder, so freundlich wie zuvor. Es gab einiges zu besprechen. Finn erhielt einige Adressen, die er aufschreiben musste. Dorthin sollte er alle Informationen über sich schicken, auch seine Kontonummer wegen des Geldes. Sie wollte wissen wo er zur Schule ging und welche Fächer ihm lagen und wann er meinte mit der Schule fertig zu sein. Elva hörte wortlos zu. Dann sagte die Stimme, dass man entschieden habe, ihn einzuladen zur offiziellen feierlichen Rückführung des Fisches. Wenn er wollte, würde man ihm eine Reise nach Boston organisieren und natürlich für alle Kosten aufkommen.

Wieder war Finn sprachlos vor Freude, und wieder zischte ihm Elva zu er solle fragen, ob er nicht auch noch seine Freundin mitbringen könnte. Und als Finn das tat, wurde es recht still auf der anderen Seite der Leitung. Es dauerte eine ganze Weile, ehe die Stimme „Moment ...“ sagte und dann nach ungefähr einer Minute zurückkam. „Ok, das war eigentlich nicht so geplant, aber ich habe gerade noch einem mit unserem Professor gesprochen, und er hat gesagt, du darfst deine Freundin mitbringen!“ - Finn war berwältigt for Freude. Er bedankte sich tausendmal und strahlte Eva triumphierend an. Elva strahlte zurück.

10 Tage bevor beide nach Boston fliegen wollten erhielt Finn einen Anruf. Elva und er waren gerade dabei für eine Klausur zu üben, als das Telefon klingelte. Diesmal war es der Professor selbst. Er klang freundlich. Er erzählte, dass man sich Finn's Angaben über seine Schulkarriere angesehen habe und man sich vorstellen könne, dass Finn in Boston studieren könne. Er, der Professor, woll ein bisschen darüber mit ihm plaudern, in welchen Fächern sich Finn den stark fühlen würde, und was sein beruflichess Ziel sei. Für Finn war das klar. Finn hatte sich schon immer für Bioengineering interessiert, und das passte hervorragend für den Professor. Man war sich schnell einig, dass man das bei dem anstehenden Besuch weiter diskutieren könne. Finn solle alle seine Schulzeugnisse mitbringen.

Elva hatte alles das mit angehört. Schließlich bedeutete sie Finn, er solle einen Moment innehalten. Finn sagte dem Professor daraufhin „Oh einen kleinen Moment bitte, ...“, er deaktivierte das Mikrofon und zischte zu Elva, so als könne es der Professor immer noch hören: „Was?!“ - „Sag ihm, dass deine Freundin schon immer davon geträumt habe in Amerika zu studieren, und ob er vielleicht eine Chance sähe, dass man auch mal schauen könne, ob auch für sie ein Stipendium zu finden wäre. Da sie ohnehin bei dem Trip dabei wäre, könnte sich auch gleich ihre eigenen Schulunterlagen mitbringen.“ -

Finn war wie erschlagen. Er wollte das nicht fragen! Aber Elva's Augen und ihre Körperhaltung machten deutlich, dass es ihr sehr ernst war mit dieser Sache. Also lenkte er schließlich ein und tat wie geheißen. Finn hörte nur eine peinliche Stille nachdem er geendet hatte. Eine gefühlte Ewigkeit dauerte es, ehe der Professor mit einer Rückfrage reagierte. „Können Sie das bitte noch einmal wiederholen?“ - Finn wiederholte sein Anliegen, und der Professor nahm es mit einem „da müssen wir noch einmal in uns gehen.“ ehe er das Gespräch mit den üblichen Grußfloskeln beendete.

Zwei Tage später erhielt er einen Brief aus den USA wo ihm mitgeteilt wurde, dass die Feierlichkeiten zur Übergabe von Nansen aus Budget-Gründen abgesagt wurden und dass deswegen der USA-Trip entfällt. Letztendlich erhielt er die ursprünglich ausgelobten 5,000 Dollar auf seinem Konto, aber auch nicht mehr. Und zum Stipendium wurde ihm schließlich mitgeteilt, dass leider die Zugangsvoraussetzungen für ein Studium in den USA nicht gegeben seien, da er noch Schüler ist und insofern nicht studienberechtigt. Da aber die Stipendien jahresweise vergeben würden, könnten Sie nicht verschoben werden.

Finn studierte am Ende trotzdem Bioengineering. Aber nicht in Boston, sondern in Kopenhagen. Elva fand bald einen anderen Freund, mit dem sie kurz nach der Schule zusammenzig. Was sonst aus ihr geworden ist, hat Finn nie mehr erfahren.

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